Sounds für das E-Zeitalter: Wie soll ein Elektroantrieb klingen?

Wenn beim Beschleunigen nur das Herz pocht, beim Radeln Waldesruh herrscht und das Boot den See still ruhen lässt, dann hat der Hersteller des Elektromotors beim Sound-Design ganze Arbeit geleistet. Denn nichts ist nerviger als störende Vibrationen, Jaulen oder Surren, wo es nun wirklich nicht sein soll.

„Benzin im Blut“ – das assoziieren wir mit Drehzahlorgien, aufheulenden Motoren und dröhnenden Auspuffanlagen, die so Manchem unweigerlich Gänsehaut auf die Unterarme zaubern. Elektrische Antriebe jedoch verändern nicht nur den CO2-Fußabdruck der individuellen Mobilität. Sie verschieben auch das emotionale Erlebnis, denn E-Motoren arbeiten relativ leise und sind doch sehr kraftvoll. Das gilt selbstverständlich für Autos ebenso wie für E-Bikes und alle anderen elektrisch angetriebenen Fahrzeuge.

Und genau da liegt der Hase im Pfeffer: Weil Elektroantriebe – egal, ob Gleichstrommotoren oder synchrone oder asynchrone Wechselstrommotoren – im besten Fall keine maskierenden Geräuschkulissen produzieren, hören wir plötzlich alle möglichen Dinge: vom Windgeräusch über Reifenabrollgeräusche bis hin zu klappernden Karosserie- oder Rahmenkomponenten.

Doch elektrische Motoren können auch eigene Geräusche produzieren, und zwar dummerweise meistens in für die Passagiere unangenehmen Frequenzbereichen, zum Beispiel durch ungünstige Schaltfrequenzen des Umrichters und elektromagnetisch induzierte Schwingungen des E-Motors. Und das alles kann einem ganz schön auf die Nerven gehen.

Die E-Mobilität und ihre Umwälzungen beim Antriebsstrang steigern auch die Sensibilität für die Vibroakustik bei der Entwicklungen elektrischer Antriebe in Kleingeräten und bei der Hausautomatisierung – wir denken diese Anwendungsfälle daher immer mit, wenn wir von elektrischen Antrieben sprechen. Als Beispiel, das nah am Leben und daher leicht nachvollziehbar ist, steht hier das E-Bike im Fokus.

Aber wie soll’s denn nun klingen?

Ein E-Antrieb soll idealerweise angenehm klingen. Die wahrgenommene Klangqualität hängt stark davon ab, wie gut Erwartungen und tatsächliche Geräusche zusammenpassen – dieses Matching bestimmt, als wie angemessen und wünschenswert Nutzer:innen einen Klang oder ein Geräusch im Fahrzeug, auf dem E-Bike oder bei der Nutzung von Haustechnik und Haushaltsgeräten wahrnehmen. Wer also einen Elektroantrieb baut oder in seine Produkte integriert, muss sichergehen, dass die hör- und fühlbaren Schallanteile des Antriebsstrangs den Erwartungen der Nutzer:innen entsprechen. Für die Industrieentwicklung etablierte Standard-Erwartungen existieren allerdings kaum, und es ist fast unmöglich, die Bedürfnisse der Nutzer:innen ohne verlässliche Zielvorgabe zu erfüllen.

Was also sind die Erwartungen, die Kunden zur Bewertung der Klangqualität von Elektrofahrzeugen, E-Bikes und anderen elektrischen Geräten verwenden? Welche Referenzen für die Entwicklung lassen sich daraus ableiten? Ist es vielleicht sogar möglich, Standards für die Klangqualität festzulegen, an die sich die Kunden mit der Zeit – sozusagen aus Gewöhnung – zunehmend anpassen werden?

Um diese Fragen zuverlässig zu beantworten, müssen wir Menschen befragen und Tests und Experimente mit den entsprechenden Antrieben durchführen. Bei letzterem helfen Techniken wie Strukturanalysen und der HEAD Visor, die Ursachen für störende Geräusche ausfindig zu machen und abzustellen – dazu später mehr.

E- Sounds und Psychoakustik

Jeder hat schon mal eine elektrische Zahnbürste, Fensterheber oder Rasierapparate benutzt, ist mit einem Elektrofahrzeug gefahren oder hat ein E-Bike ausprobiert und dabei – bewusst oder unbewusst – deren Geräuschentwicklung wahrgenommen. Diese Eindrücke beeinflussen spätere Kaufentscheidungen maßgeblich. Entscheidend für den Gesamteindruck ist dabei nicht nur der reine Schallpegel. Aus der Psychoakustik wissen wir, dass die zeitliche Struktur des Signals und die Lage und Verteilung der hauptsächlich beteiligten Frequenzen – insbesondere tonale Komponenten mit einer bestimmten hörbaren Frequenz, also Töne – großen Einfluss auf das perzeptive Empfinden haben. Leider können Elektroantriebe letzteres wie bereits gesagt bei oft unangenehm hohen Frequenzen erzeugen.

Nur wer die Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen perzeptiven Eindrücken und gemessenen Metriken kennt, ist in der Lage, Probleme zu erkennen und die Geräuschqualität von Produkten nachhaltig zu verbessern – egal ob E-Bike oder elektrische Jalousie.

Nutzerprofile, Einsatzgebiete und Metriken

Um diese Beziehungen greifbar und nutzbar zu machen, hat HEAD acoustics eine Methode entwickelt, mit der wir konkrete Nutzungsprofile erfassen können und in einer Datenbank sammeln. Anhand dieser Profile lassen sich die relevanten Betriebszustände für die jeweiligen Einsatzgebiete eines Produkts definieren.

Diese Vorgehensweise macht Messungen aussagekräftiger und strafft den gesamten Prozess deutlich, da sie die Freiheitsgrade minimiert – nur bestimmte Betriebszustände sind relevant. Statt nach dem Gießkannenprinzip alles Mögliche zu messen, sind Messungen mit den Profilen von HEAD acoustics effizient und ermöglichen ein wirklich aussagekräftiges Benchmarking von Wettbewerbsprodukten. Und sollten die für ein Produkt passenden Nutzungsprofile nicht bereits in HEAD acoustics-Datenbank existieren, entwickeln wir sie. So unterstützen wir unsere Kunden effizient dabei, ihre Produkte mit einem konkreten Fokus auf die relevanten Betriebszustände akustisch weiter zu optimieren.

Spezielle Werkzeuge für alle Anwendungen

Jede Anwendung ist unterschiedlich und erfordert speziell optimierte Werkzeuge und Hard- und Software, um in jedem Umfeld effizient zu messen und präzise Ergebnisse zu erhalten. So bleibt der Kunstkopf – unverzichtbar für gehörrichtige Akustikmessungen im PKW – zum Beispiel bei der Outdoor-Messung auf dem E-Bike im Schrank. Stattdessen tragen die Fahrer:innen im HEAD acoustics-E-Bike-Test ein binaurales Headset mit eigens entwickelten Windschirmen. Das Besondere: Diese Mikrofon-Windschirme schützen effektiv vor Windgeräuschen, ohne die zu messenden Signale maßgeblich zu verändern, wie es normale „Dead Cat“-Aufsätze tun. So messen wir bei HEAD acoustics keine Artefakte, sondern ausschließlich die Geräusche, die das Fahrrad und sein Antrieb hervorrufen.

Grenzenlos mobil

Mobile E-Bike-Messungen stellen auch besondere Anforderungen an die Datenerfassung. Handliche Stand-alone-Erfassungssysteme wie SQobold und SQuadriga III erfassen die Messdaten ohne Anbindung an einen PC oder an eine externe Spannungsversorgung mit einem breiten Spektrum an Sensoren. Die Daten des integrierten GPS-Empfängers erfassen die Geschwindigkeit und die Strecke, und Videoaufzeichnungen der gesamten Fahrsituation machen den Bezug der Messdaten zur Fahrsituation sichtbar.

Solche mobilen Messungen und der spezielle Windschutz machen HEAD-Messungen aussagekräftig und valide, weil die Aufnahmen einer tatsächlichen, authentischen Nutzungssituation entstammen.

Hohe Kanalzahl und Auflösung am Prüfstand

Am Prüfstand will man so viele Sensoren wie nötig anschließen können. Hier ist das modulare Frontend-System HEADlab mit hunderten von Kanälen, diversen Signaleingangsmodulen für alle gängigen Sensoren und Speichermöglichkeiten ein idealer Partner. In Verbindung mit der ArtemiS SUITE gelingen Aufnahmen und automatisierte Auswertungen komfortabel und blitzschnell auf Knopfdruck.

Schall-Schnappschüsse: HEAD Visor

Manchmal ist es nicht einfach zu eruieren, woher genau ein störendes Geräusch oder eine nervende Frequenz kommen. Das ist problematisch; denn nur wer weiß, wo Störungen entstehen, hat eine Chance, sie zu beseitigen. Eine elegante Methode, millimetergenau zu bestimmen, wo die Ursache liegt, bietet unser HEAD Visor-System. Basierend auf einer Schallkamera machen wir damit selbst kleinste Schallquellen sichtbar.

Strukturdynamik

Der Weg, den der Schall von dort aus nimmt und wie er sich akustisch manifestiert, lässt sich durch die Nachverfolgung von Resonanzen der Struktur bestimmen. Wer diese versteht, kann das Schwingverhalten seines Produktes optimieren. Mehr noch: Durch Kenntnis der strukturellen Eigenschaften lassen sich sogar Vibrationen gezielt einbringen. Die leistungsstarke und nutzerfreundliche Strukturanalyse mit den Modulen und Tools der ArtemiS SUITE von HEAD acoustics lässt Sie intuitiv die komplexen Zusammenhänge zwischen Anregung und Struktur begreifen.

Erwartungen erfüllen

Wenn alle Messungen durchgeführt sind und alle Messdaten vorliegen, gleicht HEAD acoustics die Ergebnisse mit den Erwartungen der Nutzer:innen in einem Jury Testing-Prozess ab. Mit SQala, der Jury-Testing-Software von HEAD acoustics, unseren Wiedergabesystemen labP2 oder labO2-V1 und einem passenden, individuell entzerrten Kopfhörer stellen wir den nötigen Bezug zwischen den gemessenen Daten und den Höreindrücken der Testpersonen her und werten die Ergebnisse statistisch aus. Indem wir die Bewertungen aus dem Jury Test mit den gemessenen akustischen Größen korrelieren, kreieren wir ein komfortables und effizientes Software-Tool, mit dem unsere Kunden beliebige neue Messungen hinsichtlich der zu erwartenden Geräuschqualität instrumentell bewerten können. So sehen sie gleich – ohne immer neue Hörtests – ob Änderungen am Produkt den erwünschten Effekt erzielt haben.

Fazit

Die Kunden von HEAD acoustics messen und evaluieren Geräusche an E-Antriebssträngen präzise und komfortabel. Unsere Erfahrung, unser Können und unsere umfassenden Lösungen für die Entwicklung des passenden E-Antrieb-Sounds unterstützen sie dabei, die Strukturdynamik ihrer Produkte – egal, ob Elektroautos, weiße Ware, Haustechnik oder E-Bike – zu verstehen. Mit diesem Wissen verbessern sie das vibroakustische Verhalten und damit die User Experience ihrer Antriebe: mobil, modular und flexibel.